In den USA gibt es Online-Unternehmen mit Conversion-Raten im deutlich zweistelligen Bereich. Die Firma Visual Website Optimizer hat einige dieser Unternehmen untersucht und ist zu einem eindeutigen Schluss gekommen: Wer die Erwartungen des Nutzers mit passenden Inhalten, Strukturen und Funktionen erfüllt, wird mit einer hohen Conversion-Rate belohnt. Wenn dann die eigenen Inhalte auch mit den passenden Werbemitteln harmonieren, entsteht ein regelrechter Conversion-Sog.

So weit, so gut. Wie aber erreicht man einen perfekten Match zwischen den Erwartungen des Shop-Besuchers und den angebotenen Inhalten? Durch iteraktives Testen und die konsequente Anwendung psychologischer Werkzeuge. Eines der wirksamsten Werkzeuge wird oft als „Einfachheit“ bezeichnet. Das menschliche Gehirn ist effizient und sorgt permanent für kognitive Balance. Informationen, die die kognitive Balance bewahren und einfach zu verarbeiten sind, werden bevorzugt behandelt und als wahrer empfunden. Die Bedienung ureigenster Einstellungen sorgt also für eine hohe unbewusste Akzeptanz. Und sie wirken früher als rationale Elemente, wie zum Beispiel Siegel und Garantien. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, wie Sie die unbewussten Erwartungen Ihrer Nutzer aufdecken und nutzen können.

Mentale Modelle identifizieren und nutzen

Jeder Mensch benutzt mentale Modelle. Mentale Modelle sind vereinfachte Erklärungen für komplexe Sachverhalte. Sie kommen mindestens einmal die Woche mit einem mentalen Modell in Berührung. Nämlich dann, wenn Sie in den Supermarkt gehen. In der Regel sind Supermärkte nach dem Tagesablauf strukturiert und bieten so einen festen mentalen Rahmen. Produkte, die zum Frühstück gehören, sind vorne angeordnet, in der Mitte des Laufweges befindet sich die Fleisch- und Käsetheke und vor der Kasse die Knabbersachen und Spirituosen. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass uns das nicht einmal bewusst ist. Ein spontaner Ansatz wäre, dieses mentale Modell des Tagesablaufs auf den Onlineshop zu übertragen. Aber das ist noch nicht optimal. Besser macht es ein amerikanischer Food-Onlineshop. Hier sind die Produkte nach Räumen geordnet, was in der Regel dem Zusammenstellen des Einkaufszettels entspricht. Schnell kann für jeden Raum die Einkaufsliste erstellt und automatisiert werden. Die kognitive Belastung sinkt, immerhin muss keine Transferleistung in den Tagesablauf erbracht werden. Das Einkaufen fühlt sich einfach und intuitiv an.

  • Identifizieren Sie mentale Modelle im Alltag. Auch wenn wir zwischen digitaler Welt und Realwelt wechseln – gelernte Modelle aus dem realen Leben wirken stärker.
  • Stellen Sie sich bei jedem mentalen Modell immer die Frage: Geht es noch einfacher? Ist es intuitiv? Fühlt es sich rund an? Fragen Sie Freunde und Bekannte und testen Sie Ihre Idee vorab mit einem Prototypen.
  • Hinterfragen Sie gängige Kategorie-Aufbauten: Nicht immer ist das, was alle machen, auch erfolgreich und gut. Vielleicht macht es mehr Sinn, Kleidung nach Looks, Farben oder anderen Attributen zu ordnen. Fragen Sie sich, wie die Sachen im realen Leben geordnet sind.

Vielfalt vs. Einfachheit: Komplexes einfach erlebbar machen

Ein weiteres Phänomen ist, dass Menschen einerseits Vielfalt schätzen, andererseits aber Einfachheit bevorzugen. Ein Experiment mit Marmelade hat dieses Phänomen eindrucksvoll aufgezeigt. Zu Anfang des Experiments wurden in einem Supermarkt 24 Marmeladensorten angeboten. Von den Passanten blieben 60% stehen, aber nur 3% kauften auch tatsächlich eine Marmelade. Später wurde die Auswahl drastisch auf nur noch 6 Sorten reduziert. Das Ergebnis: Es blieben zwar lediglich 40% der Kunden stehen, aber 30% kauften eine der angebotenen Marmeladen, also ein Vielfaches mehr als bei der großen Auswahl! Es fällt also auf, dass Vielfalt den Menschen anzieht, in der folgenden Entscheidungsfindung aber behindert. Diesen Effekt nennt man „Choice Overload“. Dieser Effekt wurde in der Folge zum Beispiel von Procter & Gamble angewandt. Die drastische Reduzierung des „Head & Shoulders“-Sortiments wurde mit 30% mehr Umsatz belohnt.

Wenn ein Kunde genau weiß, was er will, profitiert er von mehr Auswahl. Werden Menschen gefragt, ob ihnen mehr oder weniger Auswahl lieber sei, entschieden sie sich grundsätzlich für mehr. Wer aber unter vielen Optionen auswählen muss, hat dabei große Schwierigkeiten und geht am Ende vielleicht leer aus.

  • Bieten Sie Ihren Nutzern Orientierung über Empfehlungen an. Filtern Sie Informationen vor, zum Beispiel indem Sie ausgewählte Produkte zu Paketen bündeln.
  • Heben Sie besonders stark gefragte Produkte hervor. Reduzieren Sie den Umfang von Listen auf wenige sofort sichtbare Produkte und bieten Sie geeignete Filtermechanismen an.
  • Erstellen Sie für die häufigsten Filtereinstellungen vorgefertigte Kategorien und erleichtern Sie so den Zugang zu Produkten.
  • Bedenken Sie aber, dass die Anzahl an Filterelementen ebenfalls nicht zu hoch sein sollte. Maximal 5 Filter-Attribute auf einem Blick reichen. Besser sind noch weniger. Dadurch wird die kognitive Belastung des Nutzers konsequent niedrig gehalten.

Mit den Empfehlungen in diesem Artikel können Sie bereits mit wenigen technischen Handgriffen die kognitive Belastung Ihrer Shop-Besucher reduzieren. Eine reduzierte kognitive Belastung führt zu schnellerer und konsistenter Verarbeitung der Informationen. Das wiederum belohnt unser Verstand und bewertet die gebotenen Inhalte positiver und wahrer. Letztendlich ist die Psyche des Nutzers der Engpass, an dem jede Nachricht vorbei muss. Je einfacher sie aufgebaut ist, umso schneller passiert sie den Engpass, während die Botschaften Ihrer Wettbewerber am kognitiven Eingang hängen bleiben. Denken Sie deshalb in Zukunft mehr an das Gehirn Ihrer Nutzer. Sie werden es Ihnen danken.

ist Geschäftsführer und Berater der auf psychologische eCommerce-Beratung spezialisierten Agentur manymize. manymize beschäftigt sich mit Themen aus UX-Design, Psychologie und Neuro-Marketing und berät Unternehmen in der Nutzung psychologischer Wirkweisen in Onlineshops zur Steigerung der User Experience und Conversion.

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