Normalerweise sollte man mit Superlativen sehr vorsichtig agieren. „Superpower“ ist ein solches Superlativ. Das seit kurzem nun auch in Deutschland aktive Internet-Unternehmen Rakuten bringt es jedoch selbst ins Spiel: Die „Rakuten Ichiba EXPO 2012“, fand vom 03. – 21. Februar unter dem Motto „Superpower of the Internet“ in sechs japanischen Städten statt. Wir waren in Tokio vor Ort, haben angeschlossene Händler im krisengebeutelten Norden des Landes besucht und einen Einblick davon bekommen, was Rakuten unter „Superpower“ versteht. 

Raku.. wer?

Die Kollegen von Techchrunch bezeichneten Rakuten (gesprochen „rakten“) kürzlich als „die größte E-Commerce Firma, von der Sie noch nie gehört haben“. Spätestens nach der Übernahme von Tradoria und der offiziellen Umbenennung des Unternehmens in Rakuten Deutschland, sollte sich die Wahrnehmung hierzulande jedoch geändert haben.

Rakuten wurde im Jahr 1997 gegründet und betreibt seither den Online-Markplatz „Rakuten Ichiba„, der auch heute noch das Kerngeschäft des Unternehmens, und in Japan mit über 36.000 Händlern und 85 Millionen Artikeln die Nummer eins darstellt. Darüber hinaus betreibt Rakuten weitere Dienste in den Bereichen Travel, Credit & Payment und Security. Mit über 10.000 Mitarbeitern und einem Börsenwert von über 14 Milliarden US-Dollar ist Rakuten damit eines der Top 10 Internetunternehmen der Welt.


Hiroshi Mikitani, CEO und Gründer von Rakuten

Im Jahr 2010 kaufte Rakuten das US-Unternehmen Buy.com für rund 250 Mio. Dollar, gefolgt von Priceminister (für 200 Mio. Euro) in Frankreich. Der Einstig in den europäischen eCommerce wurde mit der Übernahme von Tradoria im Juli 2011 und Play.com (für 25 Mio. Pfund) im September letzten Jahres ausgeweitet. Auch eine Beteiligung am russischen Online-Markplatz Ozon.ru und eine Übernahme des eBook-Unternehmens Kobo folgte im vergangenen Jahr.

Soweit zu den Hard-Facts.

Der Weg an die Spitze – oder: Mickeys Kampfansage an Amazon & Co.

Hiroshi Mikitani, kurz Mickey genannt, ist durchaus selbstbewusst – das zeigte er bereits im Rahmen der diesjährigen Tradoria Live! 12. Im Rahmen der Übernahme von Tradoria machte er klar, wohin die Reise gehen soll: Binnen fünf Jahren wolle man an Amazon.de vorbeiziehen. Das ist ambitioniert, versuchen sich doch bereits Unternehmen wir Yatego, Hitmeister oder Meinpaket bereits unterschiedlich lange daran, ein respektables Stück vom Marktplatz-Kuchen zu sichern.

Warum es Rakuten allerdings trotzdem durchaus schaffen kann Amazon zu überholen, liegt vor allem daran, wie sich das Unternehmen mit seinem Online-Marktplatz in Japan bereits erfolgreich platziert hat – dort ist man etwa viermal größer, als Konkurrent Amazon.co.jp.

Superpower of the Internet

Vielleicht muss man vor Ort gewesen sein, um zu verstehen, was bei Rakuten den Unterschied ausmacht. Wir waren daher in Japan, haben das Headquarter in Tokio besucht, Händler im Norden des Landes getroffen und auf der Rakuten Ichiba EXPO erlebt, wie das System Rakuten funktioniert. Und schnell festgestellt: Der Händler ist der erklärte Mittelpunkt im Geschäftsmodell von Rakuten. Senior Executive Officer und Director von Rakuten, Masatada „Seichu“ Kobayashi, hatte während eines gemeinsamen Gesprächs eine einfach Formel dafür: „Ist der Händler glücklich und erfolgreich, ist es Rakuten auch.“

Guckt man sich den japanischen Marktplatz von Rakuten an, wird auch schnell klar, wie das praktisch aussieht. Im Gegensatz zu der produktorientierten Ausrichtung der meisten anderen Marktplätze, steht bei Rakuten der Händler schon optisch im Mittelpunkt. So kann jeder Händler seinen Shop ganz individuell gestalten und ist damit eher näher an eBay, als beispielsweise an Amazon.

Und das ist durchaus gewollt: Händler bekommen damit die Chance, sich individuell und markengerecht darzustellen. Zudem lässt sich für den Anbieter so viel leichter die eigene Kompetenz herausstellen, er muss also nicht, wie bei den meisten anderen Marktplätzen- überwiegend über den günstigsten Preis verkaufen.


Shop innerhalb von Rakuten Ichiba

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist das große Netzwerk aus verschiedenen Dienstleistungen innerhalb des Konzerns – das „Rakuten Eco-System“. Wie eingangs erwähnt, schafft Rakuten damit ein breites Leistungsangebot, das in sich bereits viele spannende Synergien bietet und über sogenannte „Rakuten Super Points“ voneinander profitiert.

„With our common loyalty program called „Rakuten Super Points“, members are incentivized to use our many services in all aspects of everyday life.“

Auch in Deutschland setzt Rakuten Superpunkte ein. Zudem bietet Rakuten unter anderem auch ein eigenes Bezahl- & Kreditsystem. Wie die Integration verschiedener Services hierzulande funktionieren kann, bleibt abzuwarten.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die riesige Produkt-Auswahl. Alles was man in Japan kaufen kann, findet man nach eigenen Aussagen von Hiroshi Mikitani auch im Onlineangebot von Rakuten:

„Im Prinzip kann man hier alles finden, was es zu kaufen gibt. Und wenn Sie etwas nicht bei Rakuten Ichiba finden, dann weil es das wahrscheinlich in Japan gar nicht gibt.“

Dieses beachtliche Sortiment ist in erster Linie auf die Tatsache zurückzuführen, dass man bei Rakuten vor allem die vielen kleinen Händler aktiv unterstützt – oder in vielen Fällen erst ermutigt, auch Dinge zu verkaufen, die auf den ersten Blick nicht für den Verkauf über das Internet geeignet scheinen. Ein Beispiel, welches wir uns in der Erdbebenregion im Norden des Landes angeschaut haben, macht das besonders deutlich. Dort verkauft ein kleines Unternehmen Fischeier über den Online-Marktplatz von Rakuten.


Trotz Erdbeben- und Tsunamischäden online erfolgreich: Japanischer Rakuten-Händler mit Fokus auf Fischeier

Auch in Deutschland soll in Zukunft auf kleine und mittlerer Händler gesetzt werden, die das Sortiment mit „non-barcode-items“ erweitern.

Ein darauf aufsetzender Faktor ist die direkte Zusammenarbeit mit den einzelnen Händlern. Unter anderem mit Hilfe der Rakuten Universität, die dieses Jahres auch in Deutschland starten wird. Durch modulare Seminare, Webinare und Workshops bietet die Rakuten Universität ab Sommer 2012 u.a. Themen wie Shoperöffnung, Neukundengewinnung, Marketing, Ressourcenplanung, Unternehmensführung, Management und Sortimentsgestaltung. Viele Inhalte werden für Händler aller Voraussicht nach kostenfrei bleiben.

Eine weitere Neuerung stellen die sogenannten E
-Commerce Consultans dar. Zum Start in Deutschland werden den Händlern insgesamt sechs Berater zu unterschiedlichen Sortimentsgruppen zur Seite stehen und beratend tätig werden. Je nach Bedarf sollen diese dann gezielt bei Marketingmaßnahmen und Steuerung der eigenen Prozesse helfen.

Man merkt: Der Spruch von Masatada Kobayashi bleibt -zumindest in der Theorie und der anstehenden Neuerungen- kein leeres Marketinggeschwätz. Der Service-Gedanke ist es auch, was (zusammen mit dem shopbasierten Ansatz und einem eigenen Ökosystem) den Unterschied auf dem deutschen Markt ausmachen wird bzw. langfristig ausmachen könnte.

Für Händler, die derzeit vorwiegend über Amazon oder eBay verkaufen, ist Rakuten damit eine mögliche Alternative mit Potential für die Zukunft.

Ein Blick nach vorne

Rakuten hat viel vor: Neben dem erklärten Ziel, die Umsätze im Mobile Commerce zu verneunfachen, gibt es Planungen den stationären Handel mittels Affiliate-Programmen viel enger in die Welt von Rakuten zu integrieren, die Logistik auszubauen, oder eigene NFC-Lösungen vorzustellen.

Mehr dazu im zweiten Teil…

ist Gründer & Geschäftsführer der conpark GmbH

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