Das eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht immer die richtige Konsequenz ist, wenn und soweit eine wettbewerbsrechtliche oder sonstige Abmahnung an Onlinehändler übermittelt wird, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm (Urteil vom 18. September 2012; Az.: I-4 U 105/12). Ein Onlinehändler war unter anderem wegen der Verwendung folgender AGB-Klausel abgemahnt worden:

„Angaben über die Lieferfrist sind unverbindlich, soweit nicht ausnahmsweise der Liefertermin verbindlich zugesagt wurde.“

Er gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, und unterwarf sich mit einer Vertragsstrafe von 3.500,00 EUR für jede Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungserklärung. Es kam wie es kommen musste:

Die entsprechenden Regelungen in den AGB wurden abgeändert und zwar in dem eigenen Onlineshop und auf einer weiteren Internetverkaufsplattform. Die oben genannte Lieferfristklausel wurde wie folgt geändert:

„Angegebene Lieferfristen stellen nur einen Richtwert dar und gelten daher nur annähernd vereinbart (Zirka-Fristen).“

Ferner wurden ebenfalls folgende Regelungen verwendet:

„Sollte ein bestellter Artikel nicht lieferbar sein, weil wir von unserem Lieferanten ohne unser Verschulden trotz dessen vertraglicher Verpflichtung nicht beliefert werden, sind wir zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt. In diesem Fall werden wir den Kunden unverzüglich darüber informieren, dass die bestellte Ware nicht mehr verfügbar ist und etwaige schon erbrachte Leistungen unverzüglich erstatten.

(…) Widerrufsrecht (…)

Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Ware entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten, wenn wir Sie nicht rechtzeitig vor Abgabe Ihrer Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise über die Wertersatzpflicht und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung unterrichtet haben und auch nicht unseren Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB nachgekommen sind.“

Aufgrund der zuvor abgegebenen strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung machte der zuvor abmahnende Onlinehändler eine Vertragsstrafe wegen der Verwendung der neuen Lieferzeiten-Klausel geltend. Zwar unterschieden sich die Formulierungen dem Wortlaut nach, das Oberlandesgericht Hamm sah hier jedoch einen so genannten kerngleichen Verstoß.

Dieser kerngleiche Verstoß liegt immer dann vor, wenn und Sinn und Zweck der zuvor abgegebenen strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und der entsprechenden Unterlassungsverpflichtung durch die neu geschaffene AGB-Klausel ebenfalls betroffen ist. Der besondere Clou der Entscheidung war jedoch dann zu Lasten des abgemahnten Onlinehändlers, dass dieser durch die Verwendung der neuen Lieferzeitenklausel auf zwei Internetportalen an zwei verschiedenen Tagen jeweils zwei Mal Vertragsstrafe zahlen sollte.

Dieser Ansicht folgte das Oberlandesgericht Hamm auch und verurteilte ihn insgesamt zur Zahlung von 14.000,00 EUR Vertragsstrafe mit folgender Begründung:

„…Die Beklagte hat auch durch die Verwendung der hier in Rede stehenden Klausel am 09.03.2011 auf den beiden verschiedenen Verkaufsforen zwei Vertragsstrafen in Höhe von jeweils 3.500,- €, also insgesamt 7.000,- € verwirkt. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit bei mehreren oder wiederkehrenden Vertragsverstößen, diese zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, ist zunächst der Vertragswortlaut. In der Unterlassungserklärung der Beklagten heißt es, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe fällig wird. Dieser Wortlaut drückt aber nicht den Willen der Parteien aus, die Vertragsstrafe starr für jeden Einzelakt zu vereinbaren. Das gilt besonders dann, wenn jeweils eine gleichartige Begehungsweise in einem engen zeitlichen Zusammenhang vorliegt (vgl. insoweit auch BGH GRUR 2001, 758 – Trainingsvertrag). Die sonst mögliche Aufsummierung von Vertragsstrafen wäre mit dem Gerechtigkeitsgedanken im allgemeinen nicht zu vereinbaren, wenn ihr nicht ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis des Gläubigers gegenübersteht oder die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass dem Gläubiger durch die unterlassenden Taten ein entsprechend hoher Schaden entstehen könnte (BGH a.a.O.). Zu Recht hat das Landgericht andererseits den Gesichtspunkt herangezogen, dass das Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Durchsetzung der vom Schuldner übernommenen Verpflichtung nicht außer Acht gelassen werden darf. Diesbezüglich ist festzustellen, dass die Beklagte die Begehung von Vertragsverstößen fortgesetzt hat, obwohl sie bereits wegen ihrer Verstöße vom 29.12.2010 abgemahnt und erstmals auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen worden war. Dieser Geschehensablauf hat gezeigt, dass der – grundsätzlich vom Schuldner verfolgte – Zweck der Beseitigung der Wiederholungsgefahr ebenso wenig eingetreten ist, wie die von der Klägerin beabsichtigte Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs. Dementsprechend hat das Landgericht zu Recht nach Anwendung der Auslegungsgrundsätze keine Handlungseinheit zwischen dem vertragswidrigen Verhalten vom 29.12.2010 einerseits und demjenigen vom 09.03.2011 andererseits angenommen. Dem steht auch nicht die Höhe der vereinbarten bzw. sich ergebenden Vertragsstrafe entgegen. Denn mit 3.500,- € pro Verstoß ist diese in dem Unterlassungsvertrag zwischen den Parteien noch moderat angesetzt worden…Dieselben Erwägungen gelten für den erneuten Vertragsverstoß vom 05.04.2011. Denn selbst die erneute Abmahnung vom 09.03.2011 und die Vertragsstrafen-forderung vom selben Tag hat die Klägerin nicht dazu veranlasst, ihr vertragswidriges Verhalten einzustellen. Auch wenn die Vertragsstrafenforderung vom 05.04.2011 in Höhe von wiederum zweimal 3.500,- €, mithin 7.000,- €, zum drittenmal erhoben wurde, kann angesichts des schon renitenten wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten noch nicht davon ausgegangen werden, dass hier eine Aufsummierung von Vertragsstrafen erreicht wird, die mit dem Gerechtigkeitsgedanken im allgemeinen nicht zu vereinbaren ist…“

Ferner äußerte sich das Gericht ebenfalls in der Entscheidung noch zur Frage der Wirksamkeit der neuen AGB-Regelungen. Die oben genannte Lieferzeitenklausel

„Angegebene Lieferfristen stellen nur einen Richtwert dar und gelten daher nur annähernd vereinbart (Zirka-Fristen).“

war für das Gericht und das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

„…Für eine verbindliche Regelung könnte allenfalls der Klammerzusatz mit dem Wortlaut „(Zirka-Fristen)“ sprechen. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur hält die Angabe von Zirka-Lieferfristen noch für wirksam….Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Angabe einer Zirka-Frist ausreichend im Sinne von § 308 Nr. 1 BGB ist, weil letztlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass hier Zirka-Fristen vereinbart worden sind. Allein der Klammerzusatz „Zirka-Fristen“ kann die vorangegangenen deutlichen Einschränkungen der Verbindlichkeit nicht dahingehend korrigieren, dass hier letztlich doch verbindliche Fristen vereinbart werden sollen. Der Klammerzusatz einerseits und der vorangegangene Text andererseits stehen letztlich in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander. Eine eindeutige Vereinbarung verbindlicher Lieferfristen ist nicht erkennbar…Nach dieser Vorschrift ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die sich der Verwender nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Erbringung einer Leistung vorbehält. § 308 Nr. 1 BGB will verhindern, dass die Leistungszeit mehr oder weniger in das Belieben des AGB-Verwenders gestellt wird..Der Kunde muss in der Lage sein, das Fristende selbst zu erkennen oder zu errechnen..Genau di
es ist mit der hier in Rede stehenden Klausel nicht möglich. Denn – wie bereits ….dargestellt – ergibt sich nicht eindeutig, dass mit der Klausel verbindliche Lieferzeiten versprochen werden…“

Wirksam war hingegen der Rücktrittsvorbehalt bei nicht verschuldeter Lieferung nach folgender Formulierung:

„Sollte ein bestellter Artikel nicht lieferbar sein, weil wir von unserem Lieferanten ohne unser Verschulden trotz dessen vertraglicher Verpflichtung nicht beliefert werden, sind wir zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt. In diesem Fall werden wir den Kunden unverzüglich darüber informieren, dass die bestellte Ware nicht mehr verfügbar ist und etwaige schon erbrachte Leistungen unverzüglich erstatten.“

Hier sieht das Oberlandesgericht Hamm keinerlei Raum für eine zulässige Abmahnung und begründet dies wie folgt:

„…Mit der Verwendung dieser Klausel hat die Beklagte nicht gegen § 308 Nr. 3 BGB verstoßen. Nach dieser Vorschrift ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund  von seiner Leistungspflicht zu lösen….Allgemein wird der Vorbehalt der Selbstbelieferung für zulässig gehalten…Zu beachten ist aber, dass das Lösungsrecht im nicht-kaufmännischen Verkehr ausdrücklich auf den Fall beschränkt werden muss, dass der Verwender ein konkretes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat und von dem Partner dieses Vertrages im Stich gelassen wird..Verkaufs- und Einkaufsvertrag müssen kongruent sein..Diese Voraussetzungen werden durch den Wortlaut der beanstandeten Klausel erfüllt…“

Ebenfalls zu unbestimmt ist die oben verwendete Regelung im Rahmen der Widerrufsbelehrung

„Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Ware entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten, wenn wir Sie nicht rechtzeitig vor Abgabe Ihrer Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise über die Wertersatzpflicht und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung unterrichtet haben und auch nicht unseren Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB nachgekommen sind.“

Auch hier sieht das Gericht einen Wettbewerbsverstoß durch einen Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen zur Zulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen:

„….Die Beklagte hat mit der Verwendung der genannten Klausel gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen. Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.Hier ergibt sich die Unklarheit schon daraus, dass die Beklagte hier insgesamt drei Bedingungen dafür formuliert, die scheinbar kummulativ erfüllt sein müssen, damit eine Wertersatzpflicht entfällt. Denn es heißt in der Klausel „… wenn wir Sie nicht rechtzeitig  ….  über die Wertersatzpflicht und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung unterrichtet haben und auch nicht unseren Informationspflichten gemäß Art. 246 § 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB nachgekommen sind.“  Insbesondere durch die Verwendung des  Wortes „und“ wird dies deutlich. Jedoch reicht es nach der Gesetzeslage aus, dass nur einer der ersten beiden Tatbestände erfüllt ist, um die Wertersatzpflicht entfallen zu lassen…“

Fazit:

Die kurze Zusammenfassung des Urteils zeigt bereits, welche unmittelbaren Folgen mit einer Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verbunden sind. Umso wichtiger ist dies bereits im Vorfeld, nach Eingang der Abmahnung zu überdenken, ob und inwieweit überhaupt das Risiko einer solchen Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beherrschbar ist, um Vertragsstrafen, wie im hiesigen Fall, in fünfstelliger Höhe, vermeiden zu können.

Volke Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

ist Rechtsanwalt in der Kanzlei volke2.0. Er berät als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Informationstechnologierecht Mandanten vor allem in Fragestellungen rund um die Themen Wettbewerbs- und Markenrecht. Schwerpunkt ist dabei die Abwehr von Abmahnungen und die rechtliche Prüfung von E-Commerce-Angeboten.

Conversion & Usability, Online-Marketing

SEO und Conversion-Optimierung: (k)ein Dream-Team?

Jörg Dennis Krüger •

Recht

E-Commerce-Recht – Rückblick auf den Monat Oktober 2014

Rolf Albrecht •