Am vergangen Samstag, den 28.01.2012 fand in Bamberg die traditionelle Tradoria Live! 12 und die offizielle Umbenennung auf Rakuten Deutschland statt, nachdem das Unternehmen letztes Jahr von der japanischen Rakuten Inc. übernommen worden war. Der japanische Internetkonzern, der von Techcrunch einmal als „die größte E-Commerce Firma, von der Sie noch nie gehört haben“ bezeichnet wurde, präsentierte sich bestens und hat tiefe Einblicke in Strategie und Firmenkultur gewährt.

Der charismatische Gründer und CEO, Hiroshi Mikitani – kurz „Mickey“ genannt – hat dabei höchstpersönlich die Vision seines Konzerns präsentiert: Rakuten möchte der Nummer 1 Internet-Dienstleister weltweit werden – vor Wettbewerbern wie eBay und Amazon wohlgemerkt.

Diese Ambitionen klingen auf den ersten Blick vermessen. Bei näherer Betrachtung ist dies allerdings ein durchaus ernstzunehmender Plan und langfristig stehen die Chancen für Rakuten gut.

Solide Basis: Sagenhafter Aufstieg in Japan

1997 gegründet hat das Unternehmen bereits im Jahr 2000 an der japanischen Wertpapierbörse JASDAQ einen erfolgreichen IPO hingelegt. Rakuten entwickelte sich in der Folgezeit zu einem echten Giganten mit über 10.000 Mitarbeitern, einem Börsenwert von rund 13 Milliarden Dollar und äußerst soliden Finanzergebnissen.

Neben Rakuten Ichiba, dem führenden japanischen Online-Marktplatz hält Rakuten in Japan als Anbieter von Online-Reiseportalen, Online-Banking, E-Money, Affiliate Marketing, Suche, E-Books und bei weiteren internetnahen Angeboten eine führende Position.

Mit einem operativen Jahresgewinn von nahezu einer Milliarde Euro und jährlichen Wachstumsraten von über 20% stehen dem Internetkonzern dabei auch reichlich Mittel für die Expansion in andere Länder und Branchen zur Verfügung.

Clevere Strategie: Der beste Freund der Händler

Gegenüber den großen Kontrahenten eBay und Amazon möchte Rakuten Dienstleistungen erbringen, die vor allem den Händler – nicht Produkte – in den Mittelpunkt stellen. Grundsätzlich sollen Händler alle Instrumente erhalten, um erfolgreiches eCommerce zu betreiben.

Da Rakuten keine Waren direkt verkauft, wird sich das Unternehmen nicht zum Konkurrenten für den Handel entwickeln, wie das beispielsweise bei Amazon regelmäßig der Fall ist. Damit verzichtet Rakuten bewusst auf kurzfristige Gewinne zugunsten langfristiger Kundenzufriedenheit. Rakuten möchte sich damit als fairer Dienstleister positionieren – als bester Freund.


Die Startseite von Rakuten Deutschland

Neben Marktplätzen mit hoher Reichweite und personalisierten eCommerce-Lösungen, bietet das Unternehmen auch Payment Systeme – den Rakuten-Checkout -, Bankdienstleistungen, Marketinginstrumente, Beratung und Schulungen an. Die Firma sieht sich als „Empowerment Company“ für den Handel.

Verhaltenskondex: Großkonzern mit Startup-Feeling und charismatischem Chef

Rakuten schafft es offensichtlich auch, Mitarbeiter zu motivieren. Selbst die ehemaligen Tradoria-Mitarbeiter wirkten am letzten Samstag enthusiastisch, was nicht gerade typisch ist nach einer Firmenübernahme und der oftmals damit verbundenen Ungewissheit.

Zurückzuführen ist die Mitarbeiter-Motivation auf die angestrebte Kontinuität und einen Verhaltenskodex, der sicherstellt, dass der Konzern ähnlich agil und interessant bleibt wie ein Startup. Die „5 Princples of Success“, die jedem Mitarbeiter ständig präsent sind, könnten auch an der Wand eines 3-Mann-Jungunternehmens stehen:

  1. Get things done.
  2. Passionately Professional
  3. Hypothesize > Practice > Validate > Shikumika
  4. Maximize Customer Satisfaction
  5. Speed!! Speed!! Speed!!

Unter dem Namen „Asakai“ treten bei Rakuten jeden Montag alle Mitarbeiter (!) gemeinsam zum Rapport. Meist spricht dabei Mickey, der Chef selbst über tagesaktuelle Themen oder zeichnet Mitarbeiter für besondere Leistungen aus.

Mickey ist nach wie vor Mehrheitsgesellschafter des inzwischen mit rund 13 Milliarden Dollar bewerteten Konzerns. In der weltweiten Forbes-Liste der reichsten Menschen bereits auf Platz 182, macht er trotzdem einen völlig normalen, freundlichen und aufmerksamen Eindruck: von Arroganz keine Spur.


Hiroshi Mikitani

In seinem Heimatland hat Mickey längst Kultstatus erreicht und macht regelmäßig Schlagzeilen; zuletzt mit seiner in Japan einzigartigen Initiative, englisch als Firmensprache zu etablieren.

Expansion: Kauf lokaler Erfolgsgeschichten mit Potential

In westlichen Fachkreisen ist Rakuten vor allem mit Übernahmen von Internetunternehmen übersichtlicher Größe mit Potential aufgefallen. Hierzu gehören beispielsweise Buy.com in den USA, Kobo in Kanada, Play.com in Großbritannien, Priceminister.com aus Frankreich und Tradoria in Deutschland.

Mit der Akquisition dieser Unternehmen sichert sich Rakuten lokales Wissen und die Motivation von Gründern und Mitarbeitern, die den Markt, Händler und Partner meist besser kennen als Manager und Angestellte von Großkonzernen. Rakuten investiert in diese Firmen, um gemeinsam eine deutlich bessere Positionierung am Markt zu erreichen. Mit den Mitteln, dem Wissen und der Organisation des Mutterkonzerns soll in jedem Land das Ziel der Marktführerschaft als Internetdienstleister kontinuierlich verfolgt werden.

Multichannel und Mobile-Shopping mit Einbeziehung des stationären Handels

Weltweit gehört das Einkaufen über mobile Endgeräte, d.h. Mobile-Shopping zu den am stärksten wachsenden Entwicklungen des eCommerce. Gemäß Rakuten werden in Japan bereits 25% aller Online-Einkäufe über mobile Endgeräte getätigt. Herr Mikitani erwartet sogar, dass in den nächsten Jahren der Anteil mobiler Bestellungen auf alle Internetumsätze auf bis zu 50% steigen wird. Selbst wenn Deutschland diesbezüglich noch weit zurück liegt, wird auch hier – verzögert – eine ähnliche Entwicklung erwartet.

Auf das Konfliktpotential mit dem stationären Handel angesprochen, der sich immer stärker mit der mobilen Angebotstransparenz und mobilem Wettbewerb konfrontiert sieht, verrät Herr Mikitani bereits Pläne, die typisch sind für Rakuten: Der stationäre Handel soll dies nicht als Gefahr sehen, sondern als Chance über mobile Affilate-Programme an dieser Entwicklung teilzunehmen.

Konzepte und Ideen, um Verlage, stationäre Händler und andere Marktteilnehmer mit dem E- und M-Commerce zu versöhnen, seien in der Rakuten-Gruppe bereits lebhaft diskutieren worden. Es ist daher zu erwarten, dass Rakuten auch hier seine Rolle als „Empowerment Company“ verfolgen wird.

Fazit: Optimismus und frischer Wind im eCommerce

Rakuten hat in Bamberg einen frischen Wind in die deutsche eCommerce-Szene gebracht und seinem Firmennamen alle Ehre gemacht – „rakuten“ heißt übersetzt so viel wie „optimistisch“.

Der vor kurzem in unseren Kreisen noch unbekannte Konzern hat sich als extrem erfolgreiches Internetunternehmen mit Kultur, ambitionierten Plänen und langfristig solider Strategie herausgestellt. Es wird spannend sein, zu sehen, wie sich dieser Marktteilnehmer und seine neu angeschlossenen Jungunternehmen in der teilweise extrem hart umkämpften Welt der eCommerce-Dienstleister positionieren wird.

Der Markteintritt in Deutschland war für alle Teilnehmer in Bamberg auf jeden Fall eindrücklich.

geboren 1977, ist Gründer / CEO der Shopgate GmbH. Davor war er geschäftsführender Gesellschafter des Schweizer M&A-Beratungsunternehmens APMC. Er war zudem Mitbegründer und Chief Operating Officer der Payment Network AG (Sofort.com). Unter seiner Leitung hat sich Sofort.com als führendes europäischen Online-Payment-System etabliert. Seit März 2011 widmet sich Andrea Anderheggen zu 100% der Shopgate GmbH.

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