Der neue Entwurf der EU-Verordnung zur Lieferpflicht in alle Mitgliedstaten ist in aller Munde. Vor allem das Risiko für kleine Händler, sowie die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen werden dabei als Horrorszenario genannt. Inwieweit unterscheidet sich die EU-weite Lieferpflicht von der eines deutschen Händlers an deutsche Kunden? Wie reell ist eine Abmahnung oder Klage aus dem Ausland? Es stellt sich die dringende Frage: Von woher droht die größte Gefahr?
Die Diskussion nimmt in diversen Blogs Formen an, die darauf deuten lassen, dass mit der neuen EU-Verordnung nur Große Händler eine Überlebenschance haben würden. Kleine Händler stehen buchstäblich vor dem Aus. Ausländische Verbraucher überziehen deutsche Händler dermaßen mit Klagen, dass Sie Ihren Shop nach all den ausländischen Gerichturteilen oder außergerichtlichen Einigungen schließen müssen. Sogar die Handelskammer und der Bundeswirtschaftsminister haben sich bereits in diese Diskussion eingeschaltet.
Wie reell oder unreell ist aber die Chance mit einem, sagen wir mal polnischen oder maltesischen Kunden, überhaupt ins Geschäft zu kommen? Man bedenke wie schwierig es bereits ist mit dem deutschen Shop in Deutschland Kunden zu gewinnen. Für einen erfolgreichen Verkaufsabschluss muss der durchschnittliche Onlineshop in Deutschland fast 100 Besucher unverrichteter Dinge an sich vorbei ziehen lassen. Gesetzt dem Fall, dass der ausländische Kunde Sie überhaupt gefunden hat, liegt die Konversionsrate eines deutschen Webshops (nicht lokalisiert natürlich) im Ausland nach Schätzungen unter 0,01%. Und das bei einem Traffic der wahrscheinlich ein Hundertstel unter dem des Heimischen liegt.
Bestellungen von ausländischen Kunden in deutschen Shops sind jedoch auch nicht gänzlich unüblich. Anhand seiner eigenen Datenbank und Erfahrungen kann jeder Shopbetreiber eine Risiko-Analyse machen. Wie viele Aufträge mache ich bereits im Ausland? Bin ich im Ausland überhaupt findbar? Oder biete ich ausländischen Kunden bereits eine übersetzte Seite, die lokalen Zahlungsmethoden oder gute Lieferkondition etc. an.
Die Chance oder ggf. das Risiko eines Auslandskaufs hängt immer davon ab, inwieweit ich mich dem ausländischen Kunden ausrichte. Nähere ich mich dem ausländischen Kunden an, unterliegt man bereits nun, auch vor der Verordnung dem ausländischen Recht. Die Anpassung der AGB’s zählt zu den wichtigsten Vorabschritten einer Auslandsexpansion. Die reine Übersetzung der deutschen AGB’s kann mitunter gesetzeswidrig sein und den Shopbetreiber viel Geld Kosten. Man denke hier nur an das deutsche Widerrufs- und Retourengesetz, dass den Shopbetreiber zur Zahlung der Kosten verpflichtet. Im Ausland bezahlen Kunden Ihre Retoursendung nämlich meist selber. Wer keine ausländischen Kunden beliefert, hat so gesehen auch keine Probleme mit ausländischen Gesetzen und Regeln. Die neue EU-Verordnung hat keine Auswirkungen auf Ihre Findbarkeit und den Traffic Ihres Webshops, der Shopbetreiber kann somit im Grunde selbst entscheiden, ob er im Ausland tätig wird oder nicht. Die neue EU-Verordnung ändert die bestehende Situation des Shops nicht, sie generiert keinen neuen Traffic oder steigert die Findbarkeit. So gesehen sogar schade. Bei Verzicht sind die Risiken gering, man sollte sich jedoch auch bewusst sein, dass im Gegenzug auch auf einen erheblichen Anteil am internationalen E-Commerce Umsatz verzichtet wird.
Bekommen Sie jedoch sporadisch oder regelmäßig Anfragen aus dem Ausland, die Sie aber aus welchen Gründen auch immer ablehnen, ist die Gefahr einer Abmahnung oder Klage aus dem Ausland äußerst gering. Das Verklagen und Abmahnen von Shops hat in Europa nämlich nur in Deutschland Sitte. Wollen Sie alle Risikos des Auslandsgeschäftes ausschließen bleibt Ihnen nur eine Möglichkeit: Gestalten Sie Ihr Auslandsangebot dermaßen unattraktiv, dass kein Geschäft zwischen Ihnen und dem ausländischen Kunden zu Stande kommt.
Es dreht sich also alles um die Ausrichtung, Vor- und nach der Verordnung. Passen Sie sich dem Land entsprechend an (z.B. Marketing, lokale Zahlungsmöglichkeiten, Übersetzungen etc.) so machen Sie sich auch findbar und werden im Ausland Verkäufe tätigen. Dies hat zur Folge, dass Sie sich dem nationalen Recht unter zu ordnen haben. Abmahnungen und Klagen haben Sie hingegen in den meisten Fällen nur aus Deutschland zu befürchten.
Nur auf diese Weise ist der Shopbetreiber im Ausland erfolgreich. Je mehr Sie sich den länderspezifischen Gegebenheiten anpassen, je mehr werden Sie verkaufen. Der lokale Wettbewerb bildet hier das kleinste Übel.